Zum Inhalt

Entropiebasiertes Stimmen

Das Konzept des entropiebasierten Stimmens beruht auf einer sehr einfachen Idee: Da Entropie ein Maß für Unordnung ist, sollte der Klang eines gut gestimmten Klaviers eine geringere Entropie besitzen als der eines verstimmten Klaviers.

articleEin erster Test ergab, dass ein entropiereduzierendes Suchverfahren tatsächlich eine sinnvoll aussehende Stimmkurve produziert. Im Frühjahr 2012 haben wir dieses Resultat in einer brasilianischen Zeitschrift für Physik publiziert. Dieser Artikel führte in den USA zu einem ungewöhnlich großen und irreführenden Medienecho, so wurde z.B. in der Daily Mail oder dem Wall Street Journal behauptet, dass das Verfahren Klavierstimmer arbeitslos machen würde. Dabei war es zu diesem Zeitpunkt nicht einmal klar, ob die Idee überhaupt funktionieren würde, denn kein einziges Klavier war bislang damit gestimmt worden.

Mit dem Entropie-Piano-Tuner (EPT) stellen wir nun eine Software zur Verfügung, die es jedem Interessierten ermöglicht, sich ein Bild von diesem Stimmverfahren zu machen. Es ist dabei nicht primär unser Ziel, mit professionellen Stimmgeräten oder gar menschlichen Stimmern konkurrieren zu wollen, vielmehr wollen wir demonstrieren, dass man mit einer einzigen extrem einfachen Formel bereits eine akzeptable Stimmung erzeugen kann.

Das Problem: Ein Klavier kann nicht mit einem normalen Stimmgerät gestimmt werden. Verantwortlich dafür ist ein physikalischer Effekt der Stahlsaiten, der zu einer Inharmonizität im Obertonspektrum führt. Die Kunst des Klavierbaus und des Stimmers besteht darin, durch gezieltes “Verstimmen” dennoch eine gut klingende Stimmung zu erzeugen. Diese prägt den charakteristischen Klang des Instruments und hat wesentlich zur Verbreitung des Klaviers beigetragen.

Und so funktionierts: Der EPT nimmt den Ton jeder einzelnen Klaviertaste auf und bestimmt die Obertonspektren. Die Leistungsspektren der Töne werden auf den menschlichen Hörbereich gefiltert und aufaddiert. Von dem normierten Summenspektrum aller Tasten wird schließlich die Entropieformula

bestimmt. Das ist so, als würde man alle Tasten gleichzeitig anschlagen und von dem entstehenden Geräusch die Entropie berechnen. Man kann nun durch das Schieben der Einzelspektren, was einem Verändern der Tonhöhe entspricht, diese Entropie minimieren. Im EPT geschieht das mit einem einfachen Monte-Carlo-Suchverfahren: Eine Taste wird zufällig ausgesucht und deren Tonhöhe zufällig ein wenig verändert. Sinkt dabei die Entropie ab, so hat sich die Ordnung im Spektrum erhöht und die Änderung wird beibehalten. Steigt dagegen die Entropie an, wird die Änderung verworfen. So lässt sich die Entropie immer sukzessive minimieren. Der EPT ist eine Anwendung, der die drei Schritte – Aufnahme der Töne, Minimierung der Entropie und Stimmen des Instruments nach den berechneten Frequenzen – in die Praxis umsetzt.